Schlechte unbeliebte Bilder

Jedem Kraftfahrer ist es schon passiert, dass er Post von der Bußgeldstelle erhält, welcher ein oft schlechtes, schemenhaftes, in jedem Fall aber unangenehmes, Foto des Adressaten beigefügt ist. Stationäre Geschwindigkeitskontrollstellen schießen wie Pilze aus dem Boden und auch die Polizei wird nicht müde, Geschwindigkeitskontrollen zu allen Tages- und Nachtzeiten durchzuführen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Maßnahmen immer ausschließlich das Ziel verfolgen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen oder ob das Bestreben, die leeren Landes- und Gemeindekassen aufzufüllen, die eigentliche Triebkraft dieser Aktivitäten ist. In jedem Fall liefert das Frontfoto, das anlässlich der Geschwindigkeitskontrolle geschossen wurde, regelmäßig Diskussionsstoff. Dies kann unter Beachtung der technischen Gegebenheiten bei derartigen Kontrollmessungen auch nicht anders sein. Die Geschwindigkeit des Fahrzeuges, die Lichtverhältnisse und der technische Stand der verwendeten Fototechnik produzieren oft sehr unscharfe und vermeintlich nicht erkennbare Bilder des Fahrers. Hier entsteht für den Betroffenen nun eine möglicherweise recht risikoreiche Entscheidungssituation. Viele Betroffene neigen dazu, nach Einlegen des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid, in dann sich anschließenden gerichtlichen Verfahren recht forsch die Behauptung aufzustellen, dass sie nicht der Fahrer gewesen sind und auch nicht mehr wüssten, wer damals das Fahrzeug benutzt hat, da mehrere Familienmitglieder, Freunde, Bekannte usw. Zugriff auf den Pkw hatten. Wer sich wider besseren Wissen zu einer solchen Verteidigung entscheidet, sollte dies nicht ohne genaue Prüfung der Sachlage – am besten nicht ohne anwaltlichen Rat – tun. Die Gerichte sind in zunehmenden Maße nicht mehr bereit, auch bei unscharfen Radarfallenfotos die Sache „durchzuwinken“ und das Verfahren einzustellen, sondern nutzen verstärkt die Möglichkeit, durch die Tätigkeit von Sachverständigen die Wahrheit zu erforschen. Sachverständige sind in diesem Fall die anthropologischen Gutachter aber auch Experten, welche durch eine nachträgliche Bildbearbeitung erstaunliche Ergebnisse erzielen. Wer nun, obwohl er der rasende Sünder war, seine Täterschaft leugnet und alsdann mit derartigen Gutachten überführt wird, muss neben der meist geringfügigen Geldbuße Gutachterkosten zahlen, die sehr erheblich sein können. Nur wer sich wirklich sicher ist, nicht der Fahrer gewesen zu sein, sollte eine derartige Fortsetzung der Ermittlungsarbeit durch Gutachter veranlassen. Dieser Überlegung folgen offenkundig in zunehmendem Maße auch die Strafverfolgungsbehörden. Nach diesseitiger Erfahrung sind auch die Bußgeldstellen vorsichtiger geworden und wollen keine die Landeskassen strapazierenden Gerichtsverfahren anstoßen, indem sie bei unklarer Beweislage die Bußgeldbescheide aufrecht erhalten. Es lohnt sich daher für den Betroffenen, den Sachverhalt durch einen fachkundigen Ratgeber prüfen zu lassen, wenn man wieder einmal unschöne und ungewünschte Abbildungen seiner Frontseite im Briefkasten hat.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Aus dem Gerichtssaal: Kein Knast für Alfons

Der Angeklagte ist ein Mann in den besten Jahren. Ist er rasiert und nüchtern  (was selten genug geschieht), sieht er recht passabel aus. Heute steht er vor dem Strafrichter des Amtsgerichtes, der ihn zu Recht sehr kritisch mustert. Das Vorstrafenregister unseres Angeklagten umfasst nämlich sage und schreibe 24 Eintragungen. Das Vorstrafenregister enthält Delikte quer durch das gesamte Strafgesetzbuch. Eins ist aber in all den Taten von Alfons gemeinsam. Er hat diese meist unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen. Diesmal nun schein es wieder recht eng für ihn zu werden. Drei erhebliche Straftaten stehen zur Anklage. Er soll Jugendliche mit einem Messer bedroht haben, betrunken Auto gefahren sein und außerdem durch eine uneidliche Falschaussage vor dem Amtsgericht die Verurteilung eines Straftäters verhindert haben. Laut Aktenlage ist es Beginn der Verhandlung nahezu sicher, dass Alfons wieder einmal längere Zeit in einer Jugendvollzugsanstalt logieren muss. Erstaunlich ist dann jedoch der Verlauf der Verhandlung. Sehr schnell relativieren sich die doch recht schwer anmutenden Vergehen. Die Bedrohung der Jugendlichen erscheint nach etlichen Zeugenaussagen weniger massiv gewesen zu sein. Alfons, der sich an nichts erinnern konnte, war – so die Zeugen – so betrunken, dass er seinen Drohungen hätte keine Taten folgen lassen können. Durch eine Zeugenvernehmung ergab sich alsdann noch, dass die fehlerhafte Zeugenaussage unter massiver Bedrohung erfolgte und Alfons das Gericht belogen hatte, weil er ernsthaft fürchten musste, dass derjenige, gegen den er aussagen sollte, seiner Familie etwas antut. Nun wurde es sehr spannend. Die Trunkenheitsfahrt sollte wohl den Ausschlag dafür geben, ob das Gericht auf eine freiheitsentziehende Maßnahme erkennt. Alfons war durch die Polizeistreife in einem parkenden Auto hinter dem Lenkrad sitzende sturzbetrunken angetroffen worden. Alfons erklärte, nicht gefahren zu sein und sich nur an dem Rastplatz hinter das Steuer gesetzt zu haben. Der Polizist beteuerte, den Pkw schon längere Zeit verfolgt und Alfons nach dem Anhalten hinter dem Lenkrad festgestellt zu haben. In einer recht intensiven und nachdrücklichen Befragung durch Alfons Verteidiger stellte sich dann jedoch dar, das der als Zeuge auftretende Polizeibeamte sehr widersprüchliche Angaben zu Zeit und Ort der Feststellungen machte, so dass auch Staatsanwältin und Richter in zunehmendem Maße Zweifel an der zunächst sehr „glatten“ Zeugenaussage des Beamten hatten. Darauf erging die weise Entscheidung des Gerichts, das Verfahren wegen der Trunkenheitsfahrt einzustellen. Es verblieben die beiden sich bereits als minderschwer darstellenden Delikte, für die Alfons erneut eine Bewährungsstrafe erhielt und die Auflage, gemeinnützige Arbeiten zu leisten. Überglücklich bedankte er sich bei seinem Verteidiger und kündigte an, nun erst einmal kräftig feiern zu gehen. Bleibt zu hoffen, dass dies folgenlos verlief.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Gefestigte Rechtsprechung im Eigenbedarf

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Gerichte die Stellung des Mieters bei rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Vermieter hinreichend gestärkt. Fragen der Mietminderung, des Kündigungsschutzes und des Schutzes vor ungerechtfertigter Mieterhöhung sind im Sinne des Mieters geklärt. Was für viele Betroffene oftmals überraschend ist, ist die vermieterfreundliche Rechtsprechung der Gerichte in Eigenbedarfssachen. Das Gesetz lässt die Erklärung des Eigenbedarfs und damit verbunden die Kündigung des Wohnraums zu, wenn der Vermieter selbst oder nahe Angehörige den Mietraum benötigen. Der klassische Fall ist eigentlich, dass im Hause des Vermieters, der eine zweite Wohnung vermietet hat, diese Wohnung nunmehr für die eigenen Kinder benötigt wird, da diese erwachsen sind. Eine derartige Konstellation führt in aller Regel unverzüglich zu einer vermieterfreundlichen Entscheidung. Hierbei hat der Vermieter zu beachten, dass er die Kündigung form- und fristgerecht auf den Weg bringt und schon beim Ausspruch der Kündigung den Sachverhalt ausreichend erklärt. Der Nachweis einer zu Ende gehenden Ausbildung, der Wunsch des nunmehr volljährigen Kindes, einen eigenen Hausstand zu begründen und der Nachweis, dass anderer Wohnraum nicht zur Verfügung steht, sollte Bestandteil der Kündigungserklärung sein. Als Familienangehörige im Sinne der Eigenbedarfskündigung gelten nach § 573 BGB alle Verwandten gerader Linie, z. B. Eltern, Geschwister, Großeltern. Unterschiedliche Rechtsprechungen gibt es zu der Einordnung, ob Schwager und Cousins zu diesen Verwandten gehören. Zu bejahen wird der Eigenbedarf dann sein, wenn eine nachweisbar besondere persönliche Bindung zwischen dem Vermieter und dem entfernteren Verwandten besteht. Regelmäßig wird das Gericht auch zu prüfen haben, ob der Eigenbedarf für einen nahen Verwandten in der Tat dessen Wohnbedarf decken soll oder ob es sich um einen vorgeschobenen Kündigungsgrund handelt. Täuscht der Vermieter den Eigenbedarf nur vor, macht er sich gegebenenfalls schadenersatzpflichtig. Ein Vermieter sollte also seine Entscheidung, einem Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen, verantwortungsbewusst prüfen. Der Mieter hingegen sollte sich rechtzeitig darüber beraten lassen, ob er dieser Bedarfskündigung widerspricht und damit ein gerichtliches Verfahren provoziert. Erfahrungsgemäß ist die dann folgende gerichtliche Auseinandersetzung über die Geltendmachung des Eigenbedarfs und die Räumung der Wohnung immer mit einer vergleichsweisen Lösung verbunden, die auch für die Mieter eine erträgliche Lösung beinhaltet (z. B. Zahlung der Kosten für den Umzug oder einer Abstandssumme). Bedauerlich ist es, wenn eine derartige vergleichsweise Lösung erst im Gericht zustande kommt und nicht vorher von den Parteien vereinbart wird. Eine solche vergleichsweise außergerichtliche Lösung erspart in aller Regel Zeit, Kosten und Nerven.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Habgier ist ein schlechter Ratgeber

In kaum einem Rechtsgebiet begegnen dem Praktiker hässliche menschliche Eigenschaften, wie Missgunst , Gier und Neid, so sehr, wie im Erbrecht. Jeder mit diesem Rechtsgebiet Befasste wird erstaunliche, kuriose und tragische Geschichten erzählen könne. So sind auch dem Verfasser Fälle bekannt, wo nach der Todesnachricht die Angehörigen, gemeinsam mit dem Bestattungsinstitut eintreffend, sich unverzüglich an das Ausräumen der Wohnung machten und die ersten Gegenstände begleitet von Streit und Gezeter der Beteiligten bereits verpackt waren, bevor die sterblichen Überreste des teuren Verblichenen überhaupt das Haus verlassen hatten. Durch Erbstreitigkeiten  verfeinden sich regelmäßig ganze Familien und Auseinandersetzungen führen zu zugegebener Maßen lukrativen Mandaten in den Rechtsanwaltskanzleien. So auch der vor einiger Zeit vor dem Landgericht entschiedene Fall. Hochbetagt verstarb ein Mann, der in den letzten Lebensjahren aufopferungsvoll von seiner Tochter gepflegt wurde. Folgerichtig hatte er schon vor Jahren ein entsprechendes Testament, das sie als Alleinerbin auswies, gefertigt. Er hatte auch einen Sohn, den er nahezu ein halbes Jahrhundert nicht gesehen hatte, da man sich in dessen Jugendzeit wegen einer Verfehlung des Sohnes zerstritten hatte und dieser daraufhin das Elternhaus verließ. Als der alte Herr die Augen für immer geschlossen hatte, war der verlorene Sohn jedoch sofort zur Stelle und obwohl er über die Umstände des Testamentes informiert war, focht er Erbschein und Testament an und behauptete, dies sei alles gefälscht und unrichtig. Geduldige Versuche der beteiligten Anwälte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, fruchteten nicht.  So begegnete man sich vor dem Landgericht, das einen Schriftsachverständigen zur Klärung der Frage, ob das Testament echt sei, hinzuzog. Das Ergebnis überraschte nicht. Es bestand keinerlei Zweifel daran, dass der Verstorbene mehrere Jahre vor seinem Tod ein klares, deutliches und widerspruchsfreies Testament hinterlassen hatte. Das Verfahren war für den ungläubigen Nichterben so teuer, dass er einen Großteil seines Pflichtteils wieder verlor und zwar an die Gerichtskasse und die Anwälte. In einem anderen Fall verschwieg der auskunftsverpflichtete Erbe vorsätzlich Guthaben des Verstorbenen auf einem Konto, obwohl er wahrheitsgemäße Erklärungen gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten abgeben muss. Er versicherte seine Erklärung sogar an Eides statt. Was er nicht wusste, war der Umstand, dass der Pflichtteilsberechtigte von diesem Konto schon wusste und nun natürlich genüsslich Anzeige erstattete mit den entsprechenden Folgen für den Erben, der sich nun wegen versuchten Betruges und fehlerhafter Versicherung an Eides statt strafrechtlich zu verantworten hatte. Und das Ganze geschah nur wegen ein paar Hundert Euro. So bleibt nur zu ergänzen, dass neben den hässlichen menschlichen Eigenschaften wie Neid und Habgier in Erbfällen auch die Dummheit nicht zu kurz kommt.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Gefährlicher Freibrief

Es ist allgemein bekannt, dass viele Gerichte aufgrund der außerordentlichen Arbeitsbelastung an die Grenze ihrer Arbeitsfähigkeit gelangt sind und man in einigen Regionen leider davon sprechen muss, dass den Bürgern die ihnen zustehende Rechtssicherheit nicht mehr gewährt werden kann. Es ist legitim und verständlich, dass in dieser Situation der Gesetzgeber auf Abhilfe sinnt. Aus diesem Grunde fand bei der ZPO-Reform vor einigen Jahren eine Bestimmung Eingang in das Zivilprozessrecht, die seither für viel Missstimmung und Aufregung gesorgt hat und möglicherweise auch schon einige Leser ganz konkret betroffen hat. Es geht um den Paragrafen 522 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dieser besagt vereinfacht, dass in einem Zivilverfahren, in dem das Berufungsgericht der Auffassung ist, die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen werden kann. Dies vermag auf den ersten Blick vernünftig erscheinen, erspart es den Gerichten doch oftmals langwierige Wiederholungen von Prozessen. Soweit so gut. Nun hat sich jedoch in den letzten Jahren herausgestellt, dass diese Bestimmung ein perfektes Beispiel für die Redewendung „gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht“ ist. Seit der Einführung dieser Rechtsnorm findet sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur nahezu ein Proteststurm der Praktiker, welcher auf der Grundlage zahlloser Beispiele den Missbrauch dieser Norm beklagen. Natürlich ist es für ein Berufungsgericht sehr einfach und bequem, in einem sehr kurzen Schreiben dem Anwalt mitzuteilen, dass das Anliegen seiner Mandantschaft aussichtslos erscheint und zur Vermeidung von Kosten die Berufung zurückgenommen werden soll. Das derartige Schreiben, dem Mandanten präsentiert, regelmäßig Fassungslosigkeit hervorrufen, ist klar. Und es gibt ganz gravierende Beispiele. So der Fall eines Geschädigten in einem Verkehrsunfall, dem insgesamt acht teilweise international namhafte Gutachter bescheinigten, dass seine Gesundheitsschäden auf den Unfall zurückzuführen sind. Schadenersatzforderungen beliefen sich auf eine sechsstellige Summe. Das Gericht erster Instanz hat daraufhin einen pensionierten, völlig unbekannten, Mediziner als Gutachter gewählt, der nach einer dreißigminütigen Untersuchung des Geschädigten zu dem Ergebnis kam, dass kein Schaden vorliegt. Voller Überzeugung ging der Geschädigte in Berufung und erhielt eines der o. g. Schreiben, mit dem sein Anliegen vom Tisch gewischt wurde. Das Schlimme an dieser Sache ist die völlige Hilflosigkeit der Betroffenen, da es bislang hiergegen kein rechtliches Instrument gibt. Die Kritik an diesen Praktiken ist jedoch immens. So wird mittlerweile in der Fachpresse von einer  Gesetzesinitiative gesprochen, die diesen Unsinn der Reform wieder reformieren will. Bleibt zu hoffen, dass die vielbeschworene Weisheit des Gesetzgebers irgendwann einmal wieder zum Vorschein kommt.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Das „Unfallflüchtlingsdrama“

Die Statistiken der Polizei und der Versicherungen sind eindeutig. Schon seit einigen Jahren steigt die Anzahl der Delikte des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, umgangssprachlich auch Fahrer- oder Unfallflucht genannt, stetig an. So manch ein Pkw-Fahrer kann bestätigen, wie ärgerlich es ist, wenn man zum Abstellort seines Fahrzeuges kommt und dieses zerbeult und verschrammt vorfindet, ohne dass sich jemand gemeldet hat oder eine Nachricht der Polizei über die Aufnahme des Unfalls in Abwesenheit des Geschädigten eintrifft. Die Häufung derartiger Delikte hat nach hiesiger Erfahrung zu einer spürbar härteren Verfolgung und Strafpraxis von Staatsanwaltschaft und Gerichten geführt. So kam es kürzlich zur Verurteilung eines Pkw-Fahrers, obwohl dieser nach einem leichten Auffahrunfall der Geschädigten angeboten hatte, seinen Namen und das Kennzeichen des Mietwagens zu notieren. Die Geschädigte bestand auf Anwesenheit der Polizei. Als sich der Pkw-Fahrer dann nach einiger Zeit zurückzog, wurde unverzüglich gegen ihn ermittelt. In einem anderen Fall hatte der Schadensverursacher den Geschädigten selbst ausfindig gemacht und erfahren, dass dieser sich im Urlaub befindet. Der Unfallfahrer bat eine Nachbarin, den Geschädigten zu informieren und schrieb sogar noch einen Brief. Gleichwohl eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren und erst durch anwaltliche Tätigkeit konnte eine weitere Verfolgung unterbunden werden. Die Folgen einer Verurteilung können sehr schwerwiegend sein. Geldstrafen, Führerscheinentzug, Punkteeintrag in Flensburg und letztlich der Regress durch die Haftpflichtversicherungen wegen Verletzung der Obliegenheitspflicht des Fahrers oder Versicherungsnehmers. Schnell kommen hier Summen von etlichen Tausend Euro zusammen, von den sonstigen Unannehmlichkeiten ganz zu schweigen. Die Motive für ein derartiges Handeln sind oft Zeitnot und das Bestreben, Prämienerhöhungen der Versicherungen zu meiden. Diese Unannehmlichkeiten stehen jedoch in keinem Verhältnis zu den möglichen Folgen bei einer Verurteilung. Sicherlich erscheint es manchmal nicht zumutbar, die von der Rechtsprechung geforderte Frist von mehreren Stunden, die man am Unfallort verbleiben soll, um auf den Gegner zu warten, einzuhalten. In Zeiten des Mobiltelefons ist es jedoch eine Kleinigkeit, vom Unfallort aus die Polizei zu verständigen und das Geschehene zu melden. Und wer zum Beispiel nach dem Stammtischbesuch einen Einparkschaden verursacht und mithin ganz gewichtige Gründe hat, der Polizei nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen, dem baut das Gesetz immer noch eine goldene Brücke, indem es eine Strafmilderung vorsieht, wenn innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall der reuige Sünder sich zum Unfall bekennt.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Dürfen Rechtsanwälte lügen?

Mit dem Ansehen, dass der Berufsstand des Rechtsanwaltes in breiten Kreisen der Bevölkerung genießt, können die Rechtsanwälte eigentlich sehr zufrieden sein. Ein vermeintliches Vorurteil jedoch begleitet den Rechtsanwalt auf Schritt und Tritt, nämlich, dass er lüge, bis sich die Balgen biegen. Und zu Recht fragt sich der unbescholtene Bürger, ob ein Rechtsanwalt, der ja verfassungsrechtlich als eine Säule der Jurisdiktion  eingeordnet ist, so etwas auch ungestraft darf. Auch hier muss die Antwort mit dem für Juristen typischen „es kommt darauf an“, begonnen werden. In einem Strafverfahren hat der Beschuldigte das verbriefte Recht bei seiner Verteidigung die Unwahrheit zu sagen und wenn der Beschuldigte seinem Rechtsanwalt gegenüber die Tat eingesteht, aber gleichwohl eine Verteidigungsstrategie mit dem Ziel des Freispruches fordert, bleibt dem Rechtsanwalt gar nichts anderes übrig, als im Kern, nämlich bei dem Bestreiten der Tat, die Unwahrheit zu sagen. Sollte er dies nicht tun, würde er sich selber strafbar machen. Das klingt sicherlich ein wenig verrückt, ist jedoch die logische Konsequenz der Rechtslage. Der Rechtsanwalt schuldet seinem Mandanten, egal in welchem Verfahren, unbedingte Treue. Der Kernbereich dieser Treue ist die Verschwiegenheit und die Verpflichtung Schaden von seinem Mandanten fernzuhalten. In anderen Verfahren sieht es hier schon etwas anders aus. Der Rechtsanwalt darf nicht vorsätzlich wahrheitswidrige Erklärungen, z. Bsp. in einem Zivilprozess abgeben. Hier könnte er sehr schnell wegen Prozessbetruges oder Beihilfe hierzu das Interesse seiner Kollegen in Gestalt der Staatsanwaltschaft hervorrufen. Aber auch hier sind die Dinge oft verzwickt. Natürlich darf der Rechtsanwalt z. Bsp. in Familienverfahren das geheime Wissen um ein außereheliches Kind seines Mandanten nicht straflos offenbaren und muss entsprechende Fragen verneinen. Ebenso bei der gemeinsamen Beratung eines Ehepaares in einer Erbschaftsangelegenheit, wenn er zuvor entsprechend instruiert wurde. Der Rechtsanwalt tut jedoch gut daran, gegenüber seinem Mandanten sehr deutlich die Folgen zu benennen. Und was soll der Rechtsanwalt auf die Frage der Ehefrau eines langjähriges Mandanten, die er auch gut kennt, antworten, wenn diese fragt, ob sich ihr Ehemann nach den rechtlichen Fragen eines Scheidungsverfahens erkundigt hat, wenn ihm hierzu Verschwiegenheit auferlegt wurde. Selbstverständlich muss der Rechtsanwalt auf Befragen des Richters im Prozess, warum sein Mandant trotz Ladung nicht erschienen ist, tapfer und erfindungsreich schweres Unwohlsein des Mandanten schildern. Nebenbei gesagt, wohl wissend, dass der Richter ihm das sowieso nicht glaubt. Um also die Frage aus der Überschrift zu beantworten: Rechtsanwälte dürfen nicht nur lügen, sie müssen es oft.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt

Ärger mit den Göttern in Weiß

Die Streitigkeiten vor allem in Zivil- und Sozialrechtssachen werden durch die Gerichte in Gestalt der Richter entschieden, welche nach dem Vortrag der Parteien den im Streit stehenden Sachverhalt aufgeklärt haben und alsdann den Konflikt durch das Urteil lösen. In medizinischen und technischen Fragen, die letztlich Gegenstand des Prozesses sind, ist es jedoch meist unverzichtbar, dass sich das Gericht von einem Sachverständigen beraten lässt, was meist in Form eines Sachverständigengutachtens geschieht. Diese Gutachten ersetzen natürlich nicht das Urteil des Gerichtes, fällen jedoch wichtige Vorentscheidungen und so hat sich bezüglich der Rolle der Sachverständigen der ironische Begriff von den „Göttern in Weiß“ eingeschlichen. Medizinische Gutachten spielen in nahezu allen Rentenverfahren, bei Unfallentschädigungen wegen Körperschäden, aber auch bei Strafverfahren eine unverzichtbare Rolle. Das Ergebnis der Begutachtung trifft die Prozessparteien oft überraschend und so manchen enttäuschten Anspruchsteller wie ein Donnerschlag. Ein sehr häufig vorkommender Fall, der vor allem im Unfallrecht eine Rolle spielt, ist derjenige, bei dem der Geschädigte bis zum schädigenden Ereignis nahezu beschwerdefrei lebt,  nach dem Vorgang (Sturz, Stoß oder anderweitige Verletzung) nun für dauernd einen Körperschaden hat. Oftmals sind dies Beschwerden in Gelenken oder an der Wirbelsäule, die er vom Unfalltag an nunmehr bis an sein Lebensende haben wird. Nachvollziehbarer Weise stoßen die Gutachten, in denen dann mehr oder weniger überzeugend begründet wird, dass der jetzige Zustand eigentlich nichts mit dem Unfall zu tun haben kann, auf Unverständnis und Ärger bei den Betroffenen. Der alsdann drohende Prozessverlust mit den dazu gehörenden Kosten begründen dann Verbitterung über die Justiz und Schuldzuweisungen gegenüber dem eigenen Anwalt, der es, so meinen die Betroffenen, nicht geschafft hat, den Gutachter von den Zusammenhängen zu überzeugen. Nun ist ein Gutachten nicht die Entscheidung des Prozesses, diese trifft das Gericht. Ein gewissenhafter Anwalt wird in jeder Phase des Verfahrens wachsam und kritisch die Tätigkeit des Gutachters und dessen Ergebnisse überprüfen. Tatsache ist jedoch, dass sich kein Gericht einem zwingend schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten entziehen kann. So sind letztlich diejenigen, die das Gutachten erstellen, die Herren und die „Götter“ des Verfahrens. Was der Betroffene jedoch tun kann, besteht darin, dass er stets kritisch und distanziert auch vermeintlichen Unfehlbarkeiten der Sachverständigen gegenübertritt und in allen Phasen seiner medizinischen Behandlung kritisch und selbstbewusst hinterfragt, welche Erkenntnisse der jeweils behandelnde Arzt nun gewonnen hat und im Zweifelsfall weitere ärztliche Meinungen einholt, bevor man sich zu einem Rechtsstreit entschließt. Vor dem Gang zum Gericht sollte sich der Anspruchsteller also nicht nur eingehend juristisch, sondern ebenso gründlich medizinisch beraten lassen, um spätere Enttäuschungen und gegebenenfalls hohe Kosten zu vermeiden.

Andreas Beckmann

Rechtsanwalt